Interview mit einer Betroffenen

Leonie Mock hat ihre Maturaarbeit zum Thema Jugend & Depression an der Kantonsschule Limmattal verfasst.

Was war ein persönliches Highlight im Jahr 2023 für dich?
Ein grosses Highlight war für mich, dass ich 18 geworden bin. Da habe ich Kollegen und Kolleginnen eingeladen und auch mit der Familie gefeiert. Ausserdem habe ich schöne Ferien erlebt und hierbei neue Länder kennengelernt.

Du bist Gymnasiastin an der Kantonsschule Limmattal und hast deine Maturarbeit zum Thema Jugend & Depression verfasst. Wie bist du dazu gekommen deine Maturarbeit diesem Thema zu verfassen?
Das Thema Psyche und Körper haben mich schon immer sehr interessiert. Hinzu kam, dass jemand, denn ich kenne, aufgrund von Suizidgedanken in eine psychiatrische Klinik ging. Dies hat mich sehr mitgenommen und hat sicherlich auch dazu beigetragen meine Maturaarbeit in diesem Bereich zu schreiben. Ich finde es sehr wichtig auf das Thema psychische Gesundheit aufmerksam zu machen.

Du erwähnst in deiner Arbeit, dass eine nahestehende Person ein Burnout erlitten hat. Gibt es etwas, das du an dieser Person im Umgang damit bewunderst?
Ich finde es bewundernswert, wie diese Person jeden Tag die Kraft aufbringen konnte und den Alltag trotz der Schwierigkeiten meisterte. Ich habe grossen Respekt davor, wie die Person die Energie aufbrachte, sich mit sich auseinanderzusetzen und sich schrittweise vorwärts zu bewegen um nicht wieder in alte Muster zu verfallen, beispielsweise am Abend abzuschalten und nicht länger zu arbeiten.

Du hast Schülerinnen und Schüler der Kantonsschule Limmattal zum Thema psychische Gesundheit befragt. Was hat dich am meisten erstaunt?
Am meisten erstaunt hat mich, dass sich so viele Schülerinnen und Schüler selber verletzen. Ich habe schon gedacht, dass es einige gibt, die davon betroffen sind. Jedoch hat mich erstaunt, dass die Zahl so hoch ist. Ich habe ausserdem gelernt, dass neben Ritzen und Verbrennen weitere Arten der Selbstverletzung angewendet werden, die ich bisher nicht gekannt habe. Ich finde es erstaunlich, dass man die Leute täglich auf dem Gang sieht und es Niemandem ansieht und trotzdem so viele unter psychischen Problemen leiden.

Warum denkst du, dass es der Jugend so geht?
Ich denke, wir haben einen grossen Leistungsdruck. Man muss gut sein und sonst wird man schnell aus gewissen Systemen ausgesondert, kann z.B. die Matura nicht machen und somit nicht mehr studieren oder der Weg wird immer länger. Ich finde in unserem Schulsystem herrscht viel Stress und Druck, mit dem man klarkommen muss. Ich denke aber auch, dass man heute mehr über psychische Symptome spricht als früher und es deshalb mehr thematisiert wird.

Du erwähnst in deiner Arbeit aber auch, dass das Thema Psyche trotzdem noch ein Tabuthema ist. Warum denkst du, ist das so?

Ich denke, dass man immer noch stark zwischen Psyche und Körper unterscheidet. Bei Vielen ist es so verankert, dass man eine schwache Person gilt, wenn man ein psychisches Problem hat. Psychische Probleme werden oft noch als nicht heilbar angesehen und von einer Person, die einmal mit psychischen Problemen zu kämpfen hatte, wird oft angenommen, dass dies ein Leben lang so bleiben wird. Das stimmt meiner Meinung nach nicht. Ich denke Niemanden geht es immer gut und alle haben mit Problemen zu kämpfen. Es hat wahrscheinlich viel damit zu tun, dass man sich anderen gegenüber nicht verletzlich zeigen möchte. Wenn man von aussen das Gefühl bekommt, dass es allen gut geht, fällt es schwerer einzugestehen, dass es einem selbst nicht gut geht.

Wie erlebst du die Thematik unter deinen Mitschülern und Mitschülerinnen?
Ich nehme es auch eher als Tabuthema wahr. Vor allem in grösseren Gruppen wird es oft noch als schwach abgestempelt oder es spricht sich rum, wenn es jemandem nicht gut geht. Es gilt noch nicht als akzeptiert, wenn man darüber spricht. In kleinere Gruppen und engeren Freunden kann man besser über solche Themen sprechen. Es ist ein Thema, dass man eher im Privaten bespricht.

Was würde deine Mitschülerinnen und Mitschüler im Wohlergehen unterstützen?
Es würde helfen, dass wenn sich jemand einem öffnet, dass dies nicht verurteilt wird. Es wäre schön, wenn solche Themen unterstützend und offen empfangen würden und Personen deshalb nicht ausgeschlossen werden. Ich denke es ist wichtig zu erkennen, dass eine Person, die sich verletzlich zeigt, die gleiche Person ist wie vorher. Nur weil jemand nicht über seine Probleme spricht, sind sie nicht nicht da.

Was tut dir selber gut und macht dir Freude?
Sport ist ein guter Ausgleich für mich. Es macht mir auch Spass, wenn ich hierbei meine Fortschritte erkenne. Es tut mir sehr gut, mich auspowern zu können. Ansonsten tut es mir auch gut mit meinem Hund laufen zu gehen.
Du selber hast dir selber auch professionelle Unterstützung geholt. Ist dir das schwer gefallen?
Am Anfang ist mir dies schwergefallen. Vor allem weil meine Gedanken an die Aussenwelt gerichtet waren. Ich habe mich gefragt, wie andere darauf reagieren würden, wenn sie davon wüssten. Ich hatte Angst vor der Kritik in meinem Umfeld. Ich hatte auch Respekt davor mir einzugestehen, dass etwas nicht gut läuft bei mir. Ich habe mich gefragt, ob ich parat bin über mich selbst zu sprechen und sich einer fremden Person gegenüber zu öffnen. Diese Vorstellung war zu Beginn ungewohnt für mich.

Was hättest du dir gewünscht in diesem Moment?
Ich hätte mir gewünscht, dass meine Familie gesagt hätte, dass es gut ist sich Unterstützung zu holen und es eine Chance darstellt, sich zu entwickeln und selbst zu reflektieren. Ich denke es ist wichtig, dass man ermutigt wird sich neben dem Austausch mit Familie Freunden auch professionelle Hilfe zu holen und dies nichts ist wofür man sich schämen muss.

Du erwähnst in deiner Arbeit, dass viele Schüler und Schülerinnen Symptome haben aber sich ein viel kleinerer Prozentsatz Unterstützung holt. Was denkst du, was sind Hinderungsgründe es nicht zu tun?
Man hat teilweise vielleicht das Gefühl, dass man keine Unterstützung braucht. Oft haben wir die Einstellung, dass man es einfach durchziehen und die Zähne zusammenbeissen soll. Ich finde gerade unter Männern ist die Meinung recht verbreitet, dass sie stark sein müssen und keine Emotionen zeigen dürfen.

Wie unterstützt dich die Jugendberatung?
Es hilft, dass man ein offenes Gespräch führen kann. Man findet hier immer ein Ort, an dem man sich über Themen austauschen und gemeinsam Lösungen erarbeiten kann. Ich denke es ist hilfreich, wenn man sich eine Meinung einholen kann und Hypothesen aufstellt über die man reflektieren kann.

Was hat sich verändert seit du dir Unterstützung gesucht hast?
Ich fühle mich weniger alleine mit dem Problem. Ich habe nun mehr das Gefühle, dass ich Ressourcen und ein Unterstützungssystem habe, auf welches ich aktiv zurückgreifen kann. Ich habe Tools kennengelernt, die mir helfen. Es hat mir auch die Augen geöffnet, was um mich herum alles passiert. Ich sehe Wege, bei denen ich früher nicht glaubte, dass es sie gibt oder ich es nicht gewagt hätte, sie zu gehen.

Der überwiegende Teil der befragten Jugendlichen in deiner Umfrage sind der Meinung, dass Unterstützungsangebote noch verbessert werden könnten. Was denkst du sollte verbessert werden?
Ich denke es wäre gut, dass es genug Plätze für alle gibt, die ein solches Angebot in Anspruch nehmen wollen. Auch finde ich es wichtig, dass in Schulen mehr über solche Angebote informiert wird und konkrete Anlaufstellen genannt werden. Social Media ist eine Plattform, die sich hierfür meiner Meinung nach gut eignet. Ausserdem ist es wichtig zu vermitteln, dass es sich gut anfühlen kann Hilfe in Anspruch zu nehmen und es weniger schlimm ist als man zu Beginn vielleicht denkt.

Die Schule hat nach deiner Arbeit den grössten Einfluss auf die Entstehung einer Depression nach Familie und Freunden, was könnte die Schule verbessern?
Ich verstehe, dass es ein System braucht, bei dem Schüler und Schülerinnen bewertet werden. Meiner Meinung nach üben Noten jedoch einen grossen Druck auf uns aus. Auch denke ich, dass teilweise in der Menge der Hausaufgaben reduziert werden könnte. Ich finde es besser, wenn man z.B. ein Buch weniger liest, sich mit anderen dafür genauer befasst. Auch erachte ich es als hilfreich, wenn die Kommunikation zwischen Lehrerpersonen und Schülern und Schülerinnen gesucht wird und Lehrpersonen wissen, wie es einem geht. Kein Mensch ist ein Roboter, weder Lehrpersonen noch Schüler, es ist wichtig miteinander sprechen zu können, wenn etwas nicht gut läuft.

Gibt es etwas, dass du dir für das Jahr 2024 vorgenommen hast?
Zuerst einmal möchte ich die Matura bestehen um danach meine Pläne weiterführen zu können. Ich würde gerne den Numerus Clausus probieren und ein Praktikum machen. Dann ist es mir aber auch wichtig ein bisschen runterkommen zu können und meine Freiheiten, die ich dann habe zu geniessen. Allenfalls werde ich hierfür ein Zwischenjahr machen.
Was machst du an dem Tag, an dem du erfährst, dass du die Matura bestanden hast?
An diesem Tag werde ich wahrscheinlich im Flieger sitzen von Griechenland nach Hause. Ich werde einen Freudesprung machen, wenn ich diese Mitteilung erhalte. Ich glaube, dass mit dann schon eine ziemliche Last von der Schulter fallen wird.

Gibt es etwas, dass du noch sagen möchtest?
Ich finde es wichtig, dass man wahrnimmt, was um einem herum und in der Welt passiert. Dass man andere vielleicht auch einmal fragt, wie es den Leuten um sich geht und das nicht nur pro forma, sondern sich wirklich dafür interessiert. Ich finde gerade Freunde haben einen sehr grossen Einfluss auf einen und es ist sehr viel Wert, wenn man dort Rückhalt erhält.

Herzlichen Dank Leonie für das spannende Gespräch! Wir wünschen dir alles Gute auf deinem Weg.

Maturaarbeit

Leonie Mock hat ihre Maturaarbeit zum Thema Jugend & Depression an der Kantonsschule Limmattal geschrieben.

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